Wer könnte glauben, daß hinter diesen leuchtenden Augen keine Seele steckt?" - Theophile Gauthier. Jene unter uns, die ihr Leben mit einer Katze teilen, hätten noch nie in diese exotischen, verzaubernden Augen geblickt und sich gefragt, welche Geheimnisse wohl dahinter versteckt sein könnten? Obwohl wir vielleicht nie wissen werden, was die Katze sieht, so können wir doch die Strukturen und Funktionen des Katzenauges verstehen. Jäger gegen Gejagte Um uns vorstellen zu können, wie das Katzenauge funktioniert, vergleichen wir es am Besten mit den Augen anderer Tiere. Weil die Katze ein Fleischfresser (carnivore) ist, muß sie für ihr Essen jagen. Die Katze muß imstande sein, ihre Beute früher zu orten als mögliche andere Jäger. Aus diesem Grund sitzen die Augen der Katze vorne auf dem Kopf und liegen nahe bei einander. Diese Position der Augen, zusammen mit der inneren Augenstruktur, vermittelt der Katze ein weites Gesichtsfeld und eine ausgezeichnete Entfernungsschätzung. Außerdem verfügt die Katze dadurch über die nötige Tiefenwahrnehmung, um ihre Beute zu lokalisieren und zu fangen. Zum Vergleich: die Augen von Beute-Säugetieren, wie z.B. Kaninchen oder Eichhörnchen, sitzen weit auseinander und relativ weit hinten auf dem Schädel. Das erlaubt ihnen, in nahezu alle Richtungen zu sehen, verhindert aber Weitsicht und gute Wahr-nehmungsfähigkeit. Für das Überleben dieser Tiere ist es wichtiger, einen sich nähernden Jäger zu sehen, denn sie müssen für ihr Essen nicht jagen. Die schützenden Augenlider
Es ist 9 Uhr abends und Sie sehen Mieze: sie sitzt auf dem Fensterbrett und irgend etwas vor dem Haus fasziniert sie. Sie sehen aus dem Fenster - und sehen nichts. Sie drehen die Außenlampen auf und für einen winzigen Moment sehen Sie eine Bewegung im Gras, als eine kleine Maus sich in Sicherheit bringt. Wieso konnte Mieze etwas klar erkennen, was Sie nicht sehen konnten? Wenn das Erscheinungsbild der Maus in Miezes Augen dringt, muß es zuerst die Augenlider passieren. Katzen haben im Gegensatz zum Menschen drei Augenlider. Das obere und untere Augenlid sind mit Fell bedeckt und beide Augenlidränder haben lange, spezialisierte Haare oder Wimpern. Ein Stückchen des dritten Augenlides, auch Nickhaut genannt, kann man in den inneren Augenwinkeln der Katzenaugen erkennen. Die Nickhaut ist haarlos, eine Schutzhülle, die sich über das Auge schiebt, um Verletzungen abzuschirmen und kleine Fremdkörper von der Augenoberfläche zu entfernen. Manchmal treten die dritten Augenlider hervor, um anzuzeigen, daß die Katze eine von vielen Katzenkrankheiten hat, Feline Leukämie und Felinen Immunschwäche-Virus mit eingeschlossen. Sie können aber auch Dehydration und andere, weniger gefährliche Zustände anzeigen. Ist eines oder beide dritten Augenlider sichtbar, gehört die Katze sofort zum Tierarzt. An den inneren Rändern des oberen und unteren Augenlids befinden sich kleine Öffnungen, welche zu den Tränennasengängen führen. Die Tränendrüsen in den oberen Augenlidern produzieren eine Flüssigkeit, die als Befeuchter der Augen dient. Die Tränennasengänge leiten die Tränenflüssigkeit dann in die Nasenhöhle und sind für den normalen Abluß der Tränen sehr wichtig. Die Tränennasengänge sind sehr anfällig gegen Infektionen wie auch Verstopfung, was eine Ansammlung von Tränenflüssigkeit auf dem Fell unter dem Auge verursacht. Man findet dies weit verbreitet vor allem bei Persern und Himalayans, wegen ihrer hervortretenden Augen und den verkürzten Tränennasengängen. Wenn man diese Verstopfung unbehandelt läßt, kann dies zu schweren Infektionen führen. Die Haut, die die Innenseite der Lider bedeckt, wird Konjunktiva genannt. Wenn man das Augenlid der Katze etwas anhebt, kann man die hellrosa Haut erkennen. Diese Haut kann sich röten und entzünden, man nennt diesen Zustand Konjunktivitis, hervorgerufen durch viruelle oder bakterielle Infektionen, Trauma (eine gewaltsame Einwirkung von außen), Allergien oder chemische Irritationen, wie z.B. Seife oder Zigarettenrauch. Die empfindliche Hornhaut An den Augenlidern vorbei, passiert das Abbild der Maus nun die transparente Hornhaut (Kornea) von Miezes Augen. Die Hornhaut, zusammen mit der weißen Sklera, bildet eine feste, schützende Hülle für das äußerst empfindliche Innere des Auges. Beim Menschen ist die Sklera als das Weiße im Auge viel deutlicher sichtbar. Die Hornhaut ist ein sehr empfindliches Gebilde. Kratzer oder Abnutzung sind immens schmerzhaft. Eine Katze mit einer Hornhautverletzung zwinkert oftmals unkontrolliert mit dem verletzten Auge, meidet Licht, reibt das Auge und scheint zu weinen. Das Unterlassen der Behandlung einer Hornhautverletzung kann zum Riß der Kornea führen und zum Verlust des Augenlichts. Der Feline Herpes-Virus, welcher ebenfalls die Konjunktiva und die Tränennasengänge befallen kann, verursacht tränende Augen und rinnende Nasen ebenso wie Hornhautgeschwüre (ulzerative Keratitis), welche zur Augenruptur führen können. Sogar, wenn eine Katze von anderen Symptomen virueller Erkrankungen genesen ist, können Hornhautprobleme bestehen bleiben. Die leuchtend farbige Iris
Durch die fensterähnliche Hornhaut gelangt das Bild der Maus nun in die flüssigkeitsgefüllte Vordere Augenkammer, welche Iris und Pupille enthält. Die Iris ist ein ringförmiges, muskelähnliches Gewebe, das sich im Verhältnis zum Licht öffnet und schließt. Alle Kitten werden mit blauer Iris geboren, doch die Iris der meisten Katzen verändert ihre Farbe, wenn die Katze älter wird. Die verbreitetsten Irisfarben sind gelb, gold, grün, hellbraun, kupfer und orange. Es gibt auch Katzen mit verschiedenfarbigen Augen, das nennt man Heterochromie. Die üblichste Form der Heterochromie findet man bei weißen Katzen mit einem blauen und einem grünen oder goldenen Auge. Die Farbe der Iris hat keinen Einfluß auf die Sehkraft der Katze. Veränderungen der Iris können eine Anzahl von Erkrankungen anzeigen. Wird die Iris infiziert oder entzündet, wechselt sie die Farbe. Die Farbänderung kann die ganze Iris betreffen oder auch nur bestimmte Teile davon. Augenkrebs könnte zuerst als Schwellung oder Farbveränderung der Iris erscheinen. Die Stelle in der Mitte der Iris wird Pupille genannt. Im hellen Licht verändert die Iris ihre Form, um die Pupille zu einem winzigen Spalt werden zu lassen. In der Dunkelheit öffnet sich die Iris weit, um ein Maximum an Licht durch die Pupille ins Auge fallen zu lassen. Als Mieze die Maus beobachtete, waren ihre Pupillen weit geöffnet, um soviel Licht als möglich hindurch zu lassen. Die Pupillen sollten in der Größe identisch sein. Ein Unterschied in der Pupillengröße, genannt Anisocorie, könnte ein Symptom für schwere Erkrankungen sein. Anisocorie sollte niemals auf die leichte Schulter genommen werden, ehe nicht der Tierarzt die Ur-sachen des Größenunterschieds der Pupillen geklärt hat. Das Bündeln des Lichtes
Hinter der Iris liegt die Linse. Wenn das Abbild der Maus durch diese kristalline Struktur geht, die an beiden Seiten gerundet ist, verändert es sich zum ersten Mal, seit es in das Auge gedrungen ist. Die Linse wird von einem Muskelstrang, genannt Ciliarkörper, auf ihrem Platz hinter der Iris gehalten. Der Ciliarkörper ist eine ringförmige Struktur, die am äußeren Rand der inneren Fläche des Auges und am inneren Rand der Linse durch dünne, bandartige Fasern, den sogenannten Zonulafasern, befestigt ist. Zieht sich der Ciliarkörper zusammen, wölbt sich die Linse und liefert ein scharfes Bild von nahen Objekten. Entspannen sich die Muskeln des Ciliarkörpers, dann verflacht die Linse und weiter entfernte Objekte können scharf erfasst werden. Beim Menschen ist die Fähigkeit, in unterschiedlichen Entfernungen scharf zu sehen, genannt Akkomodation, sehr gut entwickelt. Die Linse einer Katze ist aber größer und der Ciliarkörper viel schwächer. Daher kann die Katze nahe Objekte nicht so scharf sehen, Dinge zwischen 2 und 6 Metern Entfernung jedoch am schärfsten. Darum kann die Katze Schwierigkeiten haben, ein direkt vor ihr plaziertes Spielzeug zu finden. Als das Erscheinungsbild der Maus durch die Linse wanderte, veränderte sich seine Form ein wenig, um leichter auf die Retina im Augenhintergrund geworfen zu werden. Die Linse stellte das Bild auf den Kopf. Wenn die Linse ihre Transparenz verliert, entstehen Katarakte. Ererbte Katarakte sind bei Katzen selten, bisher traten sie üblicherweise nach einem Trauma auf. Wenn sich der Ciliarkörper ent-zündet, greift die Entzündung im all-gemeinen auch die Iris an. Man nennt dies eine Uveitis. Der Ausdruck "uvea" bezieht sich auf die Iris, den Ciliarkörper und eine weitere Struktur hinter der Linse, genannt Ader-haut (Chorioidea). Katzen mit Uveitis zeigen als äußeres Zeichen von Schmer-zen ein unkon-trolliertes Blinzeln der Augen und das Vorziehen der Nick-haut. Blut oder eine wolkig trübe Substanz schwimmen im Glas-körper zwischen Linse und Hornhaut. Oft bleibt die Pupille des erkrankten Auges wegen einer Lähmung der Irismuskeln klein. Uveitis kann von einem Trauma und vielen anderen Augenkrankheiten verursacht werden. Wegen der großen Schmerzen, die Uveitis hervorruft und der Gefahr, die sie für das Augenlicht der Katze darstellt, ist sofortige medizinische Hilfe unumgänglich. Steigt der Druck in der Vorderen Augenkammer, so spricht man von einem Glaukom (Grüner Star). Bei Katzen sind Glaukome durch Vererbung selten, doch treten sie häufig nach traumatischen Verletzungen oder schweren Augeninfektionen auf. Das Vernachlässigen einer Behandlung führt zur völligen Erblindung. Die Stimulierung der Retina
Als nächstes passiert das umgedrehte Abbild von Miezens Maus eine gelartige Substanz, genannt Glaskörper, welches den hinteren Teil des Auges füllt. Dann bleibt das Bild auf dem Augenhintergrund stehen. Man bezeichnet diese Fläche als Retina, jenen Teil des Auges, der lichtempfindlich ist. Licht löst eine chemische Reaktion in Millionen spezieller Zellen der Retina aus, die diese Impulse in die Sehnerven leiten. Um bei Mieze zu bleiben, das Muster dieser elektrischen Signale stellt das umgedrehte Bild der Maus dar. Die Sehnerven leiten die elektrischen Signale in das Zentralnervensystem. Im Gehirn erreicht das Bild Miezes Bewußtsein und sie erkennt oder "sieht" die Maus im Gras vor dem Haus. Wenn die Sehnerven (Nervus opticus) das Auge verlassen, kreuzen sich 65 % der Nervenfasern und befördern die Information in das Sehzentrum des gegenüberliegenden Teiles des Gehirns. Bei Siamesen senden einige der Sehnerv-Fasern ihre Signale nicht an die richtige Seite des Gehirns. In so einem Fall "sieht" das Gehirn zwei unterschiedliche Bilder. Teile der Maus könnten verkehrt sein oder an der falschen Stelle. Einige Siamesen beginnen vor Anstrengung, ihr Sehen zu verbessern, zu schielen. Wie auch beim Menschen haben Katzen zwei ganz bestimmte Arten von lichtempfindlichen Zellen in ihrer Retina: Stäbchen und Zapfen. Bei Katzen kommen etwa 25 Stäbchen auf einen Zapfen, im Gegensatz zu unseren vier Stäbchen zu einem Zapfen. Die Stäbchen sind für das Hell-Dunkel-Sehen verantwortlich und sind am empfindlichsten im Dämmerlicht. Sie vermitteln ein schwarz-weißes Bild. Das ist eine der Ursachen, warum Mieze die Maus sieht, wenn wir es nicht können. Miezes Retina braucht viel weniger Licht, um zu sehen. Das Sehen, das die Stäbchen vermitteln, ist nicht so scharf wie jenes, das die Zapfen vermitteln, darum wird das Bild, das Mieze erhält, wahrscheinlich ein wenig undeutlich sein. Obwohl die alte-Weiber-Weisheit, daß Katzen im Finstern sehen, unwahr ist, können Katzen bei wesentlich weniger Licht sehen als wir es können. Ihre Augen sind siebenmal empfindlicher auf Licht und können noch gut sehen, wo wir es bereits als zu dunkel empfinden. Im Tageslicht ist das Auge auf das Sehen durch die Zapfen angewiesen, die ein etwas schärferes Bild liefern. Weil aber eine Katze relativ weniger Zapfen hat als wir, kann ihr Tageslicht-Sehen wahrscheinlich nicht die gleiche Menge feiner Details wahrnehmen wie unseres. Erkrankungen der Retina verursachen meistens Erblindung. Ein erhöhter Blutdruck, Trauma und Erkrankungen, die bewirken, daß sich Augen-flüssigkeit hinter der Retina ansammelt, können das Ablösen der Retina von ihrem dahinterliegenden Gewebe nach sich ziehen und führen zur Erblindung. Katzen haben einen größeren Bedarf an einer essentiellen Aminosäure namens Taurin. Fleischprodukte haben einen hohen Anteil an Taurin, während Kuhmilch und Gemüse kein Taurin enthalten. Taurin ist unersätzlich für die Gesundheit der Retina, und Futter, daß zu wenig Taurin enthält, kann irreparable Schäden an den retinalen Zellen verschulden. Die Reflektoren Nachdem das Abbild der Maus durch die lichtempfindlichen Zellen der Retina gewandert ist, gelangt es in die Aderhaut (Chorioidea). Die Chorioidea liegt zwischen Retina und Sklera und enthält Blutäderchen, welche die Zellen der Retina ernähren. Eine sehr wichtige Struktur, das Tapetum lucidum, liegt halbmondförmig eingebettet in der Chorioidea. Das Tapetum lucidum ist ein glänzendes, spiegelähnliches Gewebe, das im Augenhintergrund, ab Höhe der Austrittstelle des Sehnerves, hinter der Retina liegt. Wenn das Bild der Maus durch Miezes Retina gewandert ist, trifft es auf das Tapetum und wird ein zweites Mal durch die Retina zurückgeworfen. Dieserart war es Mieze möglich, das Dämmerlicht im Garten "aufzuhellen" und so leicht die Maus zu erkennen. Und weil das Bild der Maus mit Lichtgeschwindigkeit reiste, regte das Original-Bild und das reflektierte Bild die lichtempfindlichen Zellen der Retina ganz genau zur selben Zeit an. Das Tapetum lucidum ist jenes Gewebe, das die Augen der Katze nachts glühend erscheinen läßt. Sowie das Licht eines Autoscheinwerfers oder das Blitzlicht eines Fotoapparates durch das Katzenauge dringt, wirft das grüngelbe Tapetum dieses Licht zurück, so wie ein Spiegel das Licht eines Blitzes in einen dunklen Raum zurückwirft. Das erklärt, warum Katzenaugen auf vielen Fotos zu glühen scheinen. Spezialisiertes Sehen
Die Augen der Katze entwickelten sich, um aus ihr einen Jäger von bemerkenswerter Geschicklichkeit zu machen. Die überlegene Nacht-Sehkraft erlaubt ihr zu jagen, wenn ihre bevorzugten Beutetiere, kleine Nager, am aktivsten sind. Obwohl Mieze diese Maus vor dem Haus nicht zum Abendessen benötigte, ihre spezialisierte Sehkraft ermöglichte ihr, sie einige Meter vom Fenster entfernt noch zu sehen. Wenn wir in die leuchtenden Augen unserer kätzischen Freunde blicken, denken wir selten an die spezialisierten Strukturen, die die Augen der Katze so einmalig machen. Statt dessen betrachten wir eines der schönsten und geheimnisvollsten Kreationen des Lebens, das Katzenauge
|